Donnerstag, 17. April 2008

Kapitel:69/Causalities of War

Das erste was er schmeckte war Blut. Sein Blut. Soviel war offensichtlich. Weniger offensichtlich war, was mit New York geschehen war. Dem New York das er kannte. Er rappelte sich vom Boden auf und sah sich um. Die Stadt die er einst gekannt hatte, war verschwunden. Einst besiedelt mit Wolkenkratzern die ihrem Namen Ehre machten, nun nichts weiter als ein Trümmerhaufen. Er war einmal im Kino gewesen, als einer dieser Kriegsfilme gelaufen war. Einer dieser Filme in denen alles aussieht als wäre man direkt durch die Leinwand in den verdammten neunten Höllenzirkel getreten. Dies schien schlimmer. Die Straßen waren von Narben durchzogen, Feuerhydranten waren entzwei gerissen worden ohne dabei ihr Wasser preiszugeben welches beim Austritt verdammpft zu sein schien. Hochhäuser standen wie Skellete in einer toten Wüste, nur noch aus den stählernen Knochen ihrer Rohbauten bestehend. Der Tot ging um in den Straßen von New York und die tausenden von Leichen auf den Straßen und Gassen waren die Brotkrumen, welche er den Lebenden hinterlies um ihnen den Weg zu weisen.

Das Theater. Die Spielwiese der Talentierten, der Begabten und der Homosexuellen. Jamie brachte stets seine besondere Art von Komik mit sich, egal wohin er ging. Und der Transexuelle der dem Zauberer als Assistentin diente und ihn, sofern es sich bei der Substanz um ihren Mund nicht um eine Art von Make-Up handelte, noch kurz vor der Show Oral befriedigt hatte, amüsierte ihn über alle Maßen. Den anderen ging es scheinbar nicht so, und auch wenn der Zauberer ein paar beeindruckende Tricks vorzuweisen hatte, so war doch ein stetiges Gemurmel im Saal zu vernehmen. Das Hauptgesprächsthema, zumindest in ihrer kleinen Gruppe von Kollegen, war Jans Abwesenheit. Die Karten waren seine gewesen, selbst den Flug hatte er bezahlt, was sich bei ihrem geringen Gehalt Niemand erklären konnte, und trotzdem hatte er sich noch vor dem Gebäude von ihnen verabschiedet und war in ein Taxi gestiegen. Geheimnisvoll war eines der Worte die Jan wohl am wenigsten beschrieben und doch war es das einzige das in dieser Situation zu passen schien. Und dann, das letzte an das er sich erinnern konnte, das Licht...

Als eine Kernexplosion wird der Austritt von Energie nach erfolgreichem Zerfall kurzlebiger Spaltprodukte bezeichnet. Steril, faktisch und wieder exakt Jamies Humor. Eine Ironie die er kaum zu schätzen wissen konnte als pure Energie durch seinen Körper fuhr, und die Gesetze der Physik für einen Moment ihre Richtigkeit verloren.

Er bewegte sich durch Geröll, zerstörte Straßenzüge, Meere aus Glas und Blut. Blut. Jede Menge davon. Überall. Auch an ihm selbst klebte es. Es lief an seinen Armen herab, es tränkte seine Schuhe und nur Gott allein wusste welches davon seines war und welches nicht. Selbst seine Ohren schienen zu bluten und in seinem ersten, kurzwährenden Moment, der Klarheit wurde ihm klar das er taub war, sein Trommelfell zerstört durch den Ultraschallknall der Explosion. Das laufen fiel ihm schwer, seine Orientierung war miserabel und der Staub in der Luft brannte in seinen Augen. Ohne seine primären Sinne, waren es die sekundären die ihn von seiner Anwesenheit in Kenntnis setzten. Die Vibration auf dem Boden, nicht genug um von einer Trümmerlawine herzurühren, das Wirbeln des Staubes in der Luft und der Geschmack von Blut in der Luft. Nicht viel. Aber zu diesem Zeitpunkt genug um ihn dazu zu bringen, sich umzudrehn. Eine Chimäre. Zumindest war das der Name der ihm für so eine Kreatur in den Sinn kam. Er wusste nicht woher er dieses Wort kannte, doch es schien passend für ein Wesen das so jeglicher Beschreibung spottete. Selbst durch seine brennenden, entzündeten Augen machte er Federn aus, sporadisch aus dem Körper sprießend, vier Beine, kein zu den anderen passend, eine Art Schnabel und einen Schweif. Welche kranke Perversion hatte Mutter Natur dazu gebracht etwas derartiges hervor zu würgen...

Mit seinem, oft absurden Sinn für Humor, war es Jamie nicht entgangen welche Form der Japan-Tower nach seiner Fertigstellung angenommen hatte. Und es amüsierte ihn in nicht geringem Maße. Was dort getan wurde wusste er nicht. Das wusste Niemand. Das Übliche nahm er an. Genetische Experimente an Tieren und dergleichen. Wahrscheinlich bunkerten sie eine ganze Armee von diesen "Fabelwesen" von denen man in letzter Zeit hörte, unten im Keller und trainierte sie Männchen zu machen und Stöckchen zu holen. Jamie lachte sich schlapp bei der Vorstellung.

Er wusste nicht was vor sich ging. Der Schuß hatte ihn für einen Moment aufgeschreckt. Was mehr von der plötzlichen, und nur sekundenwährenden, Rückkehr seines Gehörs herrührte, als das tatsächliche Geschehen das sich dort vor seinen Augen abspielte. Wie aus dem Nichts war plötzlich Jan aufgetaucht, eine Flinte in der Hand, und hatte die Kreatur einfach über den Haufen geschossen. Zwischen all dem Tod, dem Staub, der tauben Leere in seinem Kopf, war es nichts als ein weiteres Puzzlestück in diesem Portrait des Armageddon. Er brach auf den Knien zusammen und sah durch blutende Augen wie Jan sich ihm näherte und ansprach. Dann entschwand Jan. Seine Silhouette löste sich in der Staubwand auf und ein leichter Schock fuhr durch Jamies Körper als er begriff in welche Richtung sich Jan dort bewegte. Erst dann sah er den weißen Streifen am Himmel. Den zweiten an diesem Abend...


© www.jan-sucks.blogspot.com

Keine Kommentare: